Verbastelt
oder nicht verbastelt?
Diese Frage stellt sich dem Restaurateur immer wieder. Im Bild links fällt
der Ersatz eines Kondensators (!) durch eine unschöne Lösung
auf (s. im Buch S. 16), es handelt sich erwartungsgemäß
um den Koppelkondensator zur Endröhre. Nun müssen wir feststellen,
ob lediglich unschön repariert oder auch verbastelt wurde. Vor
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Bei der weiteren Inspektion fallen abgezwickte Anschlussdrähte (v)
und ein etwas unüblicher Gitterableitwiderstand (v) auf. Wir brauchen
nun den Schaltplan und stellen fest, dass die Schaltungsdetails zwischen
der EABC80 und der EL84 sehr vom Schaltplan abweichen. Änderungen
während eines Modelljahres waren durchaus üblich, sodass man
sich nicht immer auf den Stromlaufplan verlassen kann. Aber hier heißt
die Diagnose: Verbastelt, also nicht mehr im Originalzustand. Um das Problem
einzukreisen, sichten wir die Schaltpläne von verwandten Modellen,
auch den eines Vorgängers mit einer EL41. Beim Absaugen des Lötzinns
von den scheinbar abgezwickten Drähten bestätigt sich die Diagnose
weiter: Es handelt sich nicht etwa um durchgesteckte Drahtenden vorhandener
Bauteile sondern um den Rest eines nicht mehr vorhandenen Bauteils.
Weil die originalen Lötstellen an der Art und Weise der Drahtführung
erkannt werden können, stellen wir hier aber auch nicht dokumentierte
Änderungen fest. Leider war der Schaltplan des unmittelbaren Vorgängermodells
nicht verfügbar. Andererseits war man aber gerade bei der Fertigung
dieses Modelles großzügig mit den Drahtenden: Man ließ
sie, besonders an schlecht zugänglichen Stellen, einfach dran. Bei
dem auffälligen Gitterableitwiderstand könnte es sich um einen
Montagseffekt gehandelt haben, weil die Funktion nicht beeinträchtigt
wurde, die Endprüfung also ohne Beanstandung verlaufen konnte.
Die Bauteile und weitere Teerkondensatoren werden erst nach dem Ausbau
des Ausgangstrafos zugänglich. Das übliche Skizzieren und zur
Sicherheit ein Beweisfoto sind zweckmäßig anzufertigen. Bei
diesem kleinen Radio (Temo 710W von Loewe Opta) wurden alle (9)
Folienkondensatoren ausgewechselt.
Das Bild ganz unten zeigt den wieder eingebauten Ausgangstransformator.
Die Lötstellen zeigen, dass das Lot geflossen ist, also keine sogenannten
kalten Lötstellen vorhanden sind. Diese sind häufig für
Probleme verantwortlich, die sich meistens erst später zeigen. An
kalten oder geklumpten Lötstellen erkennt man ebenfalls Reparaturen,
denn die Damen damals am Fließband hatten das Löten gelernt
und die Lötstellen wurden qualitätsmäßig begutachtet.
(Bei den weißen Fusseln handelt es sich um Reste von Wattestäbchen)
Erschwerend auf die Beantwortung der eingangs gestellten Frage wirkt sich
auch die Tatsache aus, dass auch werkseitig improvisiert wurde. Das findet
man gelegentlich bei den ersten Modellen eines neuen Modelljahres, besonders
dann, wenn man die Händler rechtzeitig zur Funkausstellung beliefern
musste. Solche Händlermodelle sehen ziemlich verbastelt aus, haben
angeschraubte Komponenten, nicht passende Rückwände, Chassis
des Vorgangermodells, usw. Sie sind vor allem selten! Ich betrachte aber
gerade diese Radios als Sammlerstücke. Man findet sie gelegentlich
in Altbeständen eines Radiohändlers.
Gefährlich verbastelt ist dagegen das folgende Beispiel:
Jemand hatte den Säulengleichrichter durch eine herkömmliche
Siliziumbrücke ersetzt. Das ist weiter nicht schlimm, aber der Bastler
wusste nicht, dass diese eine deutlich höhere Spannung abgibt. Dann
hat er gerechnet: 2x 50uF, das macht 100uF. Auch nicht ganz falsch. Aber
dann hat er den ersten Siebelko zusätzlich mit 100uF unterstützt.
Die Aufschrift auf dem originalen Gleichrichter: B250 C100 hat er zumindest
gelesen, denn er hielt für den zusätzlichen Elko eine Spannungsfestigkeit
von 250 Volt für ausreichend. Das hat dann ziemlich gekracht, denn
die Leerlaufspannung betrug das 1,5 -fache.
Bitte die Schutzbrille niemals vergessen!